Orientierungshilfe Werkstoffauswahl
Die Gebrauchs- und Verarbeitungseigenschaften der nichtrostenden Stähle werden sowohl direkt über die zugeführten Legierungselemente als auch durch den sich aus der jeweiligen Legierungszusammensetzung einstellenden Gefügeaufbau bestimmt.
Die Substitution einer Werkstoffsorte sollte immer anwendungsbezogen erfolgen und genauestens abgewogen werden. Eine selektive Betrachtung einzelner Eigenschaften einer als Ersatz angedachten Sorte könnte zu weitreichenden Problemen, Qualitätsverlusten und hohen Kosten führen.
Die nachfolgenden Diagramme sollen eine Hilfestellung bei der Auswahl von Werkstoffen geben.
In den insgesamt 83 „Spinnennetzdiagrammen“ sind die unten aufgelisteten Werkstoffeigenschaften für die gebräuchlichsten nichtrostenden Stähle mit einem einfachen Notensystem aufgeführt. Die Noten von eins bis fünf zeigen an, ob die jeweilige Eigenschaft im Vergleich der aufgeführten Stahlsorten eher hoch oder gering ausgeprägt ist. Eine Wertung der Eigenschaft sollen und können sie aber nicht darstellen.
- Festigkeit
Als Kennwert für die Festigkeit wurde die in der Norm DIN EN 10088-2:2014-12 geforderte Mindest-Dehngrenze Rp0,2 gewählt (Zustand C, kaltgewalztes Band, lösungsgeglüht; Ausnahme 1.4501: Zustand P, warmgewalztes Blech, lösungsgeglüht).
Als Kennwert für die Festigkeit wurde die in den relevanten Normen geforderte Mindest-Dehngrenze Rp0,2 gewählt (siehe auch rechts „Legende zu Abb. 1 bis Abb.
3“) - Umformbarkeit
Für die Umformbarkeit wurde die in den relevanten Normen geforderte Mindest-Bruchdehnung A als Kennwert herangezogen (s.a. rechts: Legende zu
Abb. 1 bis Abb. 3). - Korrosionsbeständigkeit
Eine generelle Quantifizierung der Korrosionsbeständigkeit von nichtrostenden Stählen gestaltet sich schwierig. Abtragende Flächenkorrosion, wie sie bei unlegierten Baustählen ohne Korrosionsschutz häufig beobachtet werden kann, ist bei nichtrostenden Stählen nur in bestimmten Säuren und starken Laugen möglich. Im Wesentlichen tritt örtliche Korrosion auf (z.B. Lochkorrosion, Spannungsrisskorrosion, Spaltkorrosion, Interkristalline Korrosion), für die es jedoch keine alles umfassende Kennzahl gibt. Um dennoch eine quantitative Basis für den Vergleich der nichtrostenden Stahlsorten zu haben, wurde die Wirksumme (W) herangezogen (englisch „Pitting Resistance Equivalent“ PRE), die als Maß für die Beständigkeit gegen Loch- und Spaltkorrosion betrachtet wird.
Bei der Wirksumme handelt es sich allerdings um eine empirisch gefundene Regel und keinesfalls um eine Gesetzmäßigkeit mit definierten Randbedingungen. Die Berechnung der Wirksumme erfolgte nach der folgenden Formel und gilt für den atmosphärischen Bereich bei nicht erhöhter Temperatur:
PRE = %Cr + 3,3 x %Mo + (X) x %N
Dabei wurden für %Cr, %Mo und %N jeweils die arithmetischen Mittelwerte der in DIN EN 10088-1:2024-04 und SEW 390:1991-11 angegebenen Grenzen für die Legierungselemente Chrom (Cr), Molybdän (Mo) und Stickstoff (N) eingesetzt.
Der Stickstofffaktor X wurde für Sorten mit weniger als 3 % Mo gleich Null gesetzt, für alle anderen Sorten mit 3 % Mo oder mehr gleich 30 und für Duplex-Stähle wurde er mit 16 angesetzt.Die Noten für die Korrosionsbeständigkeit der Sorten 1.4305 und 1.4598 wurden jeweils um eins reduziert, weil sich das Hinzulegieren von Schwefel negativ auf die Korrosionsbeständigkeit auswirkt (s.a. MB 820, Abschnitt 4.7). Da die Wirksumme dies nicht berücksichtigt, würde für diese beiden Werkstoffe eine im Vergleich mit den anderen Sorten falsche Einstufung der Korrosionsbeständigkeit erfolgen. Dies ist auch der Grund, warum sie mit ihren rechnerischen Wirksummen nicht in den Diagrammen „Festigkeit über Korrosionsbeständigkeit“ und „Umformbarkeit über Korrosionsbeständigkeit“ aufgeführt werden (siehe rechts, Abb. 1 und Abb. 2).
- Wärmeausdehnung
Für die Eigenschaft Wärmeausdehnung (mittlerer Wärmeausdehnungskoeffizient zwischen 20°C und 100°C bzw. für die hitzebeständigen Sorten
zwischen 20°C und 200°C) werden die entsprechenden Kennwerte aus DIN EN 10088 1:2024-04 und SEW 390:1991-11 verwendet.Für die unten aufgeführten Sorten liegen die Wärmeausdehnungskoeffizienten zwischen 10 x 10-6 K-1 und 17 x 10-6 K-1.
- Wärmeleitfähigkeit
Für die Eigenschaft Wärmeleitfähigkeit werden die entsprechenden Kennwerte aus der DIN EN 10088 1:2024-04 und SEW 390:1991-11 verwendet. Die Werte der Wärmeleitfähigkeit (bei 20°C) liegen bei den unten aufgeführten Sorten zwischen 8,6 W/(m K) und 30 W/(m K).
- Schweißeignung
Eine hohe Schweißeignung bedeutet, dass keinerlei Einschränkungen zu beachten sind, und eine sehr geringe Schweißeinigung, dass vom Schweißen abgeraten wird. Noten dazwischen bedeuten, dass mehr oder weniger Auflagen beachtet werden müssen