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Hoch korrosionsbeständige Stähle - Verringerte Kosten und verlängerte Lebensdauer für die Tunnelaustattung

Infotag in Düsseldorf

Die Anzahl und Dauer von Tunnelsperrungen und damit Verkehrsbehinderungen deutlich verringern sowie die Kosten für Wartungsarbeiten minimieren: das verspricht der Einsatz von höher korrosionsbeständigen Edelstählen in der Ausstattung von Straßentunneln. 

Am 13. Februar 2025 trafen sich knapp 100 interessierte Fachleute aus dem deutschsprachigen Raum im Stahl-Zentrum in Düsseldorf beim Infotag “Dauerhaftigkeit der Betriebs- und Sicherheitsausstattung im Straßentunnel”, um sich über neueste Ergebnisse aus der Werkstoffforschung zu informieren. Eingeladen hatten die Informationsstelle Edelstahl Rostfrei (ISER), Düsseldorf, die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Berlin, und der Landesbetrieb Straßen.NRW, Gelsenkirchen.

Aber nicht nur bei Fachleuten, sondern auch in der Politik stößt das Thema Sicherheit in Straßentunneln auf großes Interesse. Das wurde durch den Besuch von Vertretern aus Landes- und Kommunalpolitik unterstrichen.
Achim Frieling, zuständiger Referatsleiter für Tunnel im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW, betonte in den Grußworten, dass es ein großes Anliegen der Landesregierung ist, „den Zustand der nordrheinwestfälischen Straßeninfrastruktur einschließlich seiner Brücken und Tunnel zu erhalten und vor allem auch nachhaltig zu verbessern. [...] Bei den 39 Tunneln in Landeszuständigkeit soll durch Ertüchtigungen und Modernisierungen der Sicherheitstechnik das Ausfallrisiko auf ein Minimum reduziert und Sperrzeiten der Tunnel dadurch vermieden werden. [...] Vor diesem Hintergrund freue ich mich umso mehr, dass Sie alle hier erschienen sind, um die Tunnelsicherheit und den Tunnelbetrieb ein Stück zu verbessern.“ 

Jochen Kral, Beigeordneter für Mobilität und Umwelt der Landeshauptstadt Düsseldorf, stellte in seinen Grußworten die Bedeutung der Tunnel für Düsseldorf heraus. Als besonders erwähnenswert nannte er den vor über 30 Jahre eröffneten und für die Entwicklung eines modernen Stadtbilds so wichtigen Rheinufertunnel sowie den neuen KÖ-Bogen-Tunnel, der die Stadtmitte und auch den denkmalgeschützten Hofgarten zusammengeführt hat. Aufgrund dieser positiven Auswirkungen, soll auch im Stadtteil Heerdt künftig ein Tunnel die aktuell bestehende Hochstraße B7/Benediktusstraße ersetzen, um so die zerschneidende Wirkung im Stadtteil „zu reparieren“ und für mehr Lebensqualität zu sorgen. Ein weiteres tunnelähnliches Projekt soll über der Münchener Straße realisiert werden. Um bei möglichst geringer zusätzlicher Versiegelung dem Bedarf nach mehr Wohnraum gerecht zu werden, soll mit einem innovativen Wohnbauprojekt auf einer Plattform oberhalb der Verkehrsfläche neue Siedlungsfläche geschaffen werden.

„Ziel war es, besonders korrosionsbeständige Stähle zu identifizieren, die den anspruchsvollen Bedingungen in Straßentunneln länger standhalten, als es bisher der Fall ist“, sagte Ahmed Karroum, Abteilungsleiter Technik und Umwelt von Straßen.NRW, Gelsenkirchen, in seinen Grußworten. „Die deutlich verlängerte Lebensdauer der Bauteile reduziert den Wartungsaufwand und erhöht die Verkehrs- und Tunnelsicherheit. Korrosionsprozesse werden auf das absolute Minimum reduziert. Mit dem Einsatz des Duplexstahls in unseren Straßentunneln machen wir damit einen bedeutenden Schritt in Richtung nachhaltiger Infrastruktur“.

Zum Hintergrund

Vor 20 Jahren wurde im Rahmen der Sanierung von Strahlventilatoren ein neuer Werkstoff ausgeschrieben, der in seinen Eigenschaften der damals gängigen Sorte ebenbürtig oder überlegen war und immer noch ist. Schon nach einem Jahr zeigten sich jedoch signifikante Korrosionsschäden, deren Ursache lange unklar blieb. Die Kosten für Wartung und Instandhaltung stiegen u.a. durch außerplanmäßig durchzuführende Reinigungen stark an.
Einigen der Schäden konnte später unsachgemäße Verarbeitung als Ursache zugeordnet werden. Um jedoch grundsätzlich Klarheit zu erhalten, initiierte der Landesbetrieb Straßen.NRW im Jahr 2017 ein Forschungsprojekt, in dem das Verhalten der eingesetzten Werkstoffsorten systematisch untersucht und weitere, höher korrosionsbeständige Sorten qualifiziert werden sollten. Zusammen mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung sowie der Informationsstelle Edelstahl Rostfrei wurden noch im selben Jahr Auslagerungsversuche in Straßentunneln gestartet. Unterstützt wurde das Projekt durch die Unternehmen Wilhelm Modersohn GmbH und Co. KG (Teil von Leviat), Spenge, und Outokumpu Nirosta GmbH, Krefeld, die u.a. durch Materialspenden und die Fertigung von Probenhalterungen dazu beigetragen haben, dass dieses Forschungsprojekt ganz ohne öffentliche Fördergelder durchgeführt werden konnte.
Die Erkenntnisse aus rund sieben Jahren Auslagerung von Prüfkörpern in den NRW-Tunneln Burgholz (L418, Wuppertal) und Wersten (BAB 46, Düsseldorf) sowie im Hamburger Elbtunnel (BAB 1, Hamburg) wurden der Fachwelt nun vorgestellt und Lösungsansätze aufgezeigt und diskutiert.

 

Betriebliche Erfahrungen und Untersuchungsergebnisse

Auch wenn Straßentunnel nicht gleich Straßentunnel ist und sich die Korrosivität der Tunnelatmosphären sogar innerhalb der Tunnel (Decke/Wand/Fahrtrichtung bei getrennten Röhren) durch diverse Einflussfaktoren unterscheiden, gilt für alle aber eins gleichermaßen: Die korrosive Belastung durch Chlorid, Stickoxide und Schwefeldioxid muss als sehr hoch bewertet werden. Nur in unmittelbarer Meeresnähe oder in stark belasteter Industrieatmosphäre sind ähnlich hohe Belastungen vorzufinden. 
Die in Straßentunneln einzusetzenden nichtrostenden Stähle sind in Deutschland in den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauwerke“ (ZTV-ING) geregelt. Die Ergebnisse zur Korrosivität und zum Korrosionsverhalten der nichtrostenden Stähle in Straßentunneln wurden von Dr. Ing. Andreas Burkert (BAM) und Jens Lehmann (BAM) präsentiert. Sie zeigen, dass die in der ZTV-ING zugelassenen nichtrostenden Sorten aus der Korrosionsbeständigkeitsklasse (CRC) III grundsätzlich für zahlreiche Anwendungen in Straßentunneln geeignet sind, aber unter bestimmten konstruktiven Randbedingungen – hier sind vor allem konstruktive Spalte zu nennen - in der Tunnelatmosphäre an ihre Grenzen kommen und damit nicht dauerhaft beständig sind. Abhilfe schaffen hier korrosionsbeständigere Stahlsorten, wie z.B. der Duplex-Stahl 1.4462, der in der CRC IV eingeordnet ist und in den Auslagerungsversuchen keine Korrosionsschäden aufwies. 

Die Forschungsergebnisse bestätigen damit die Erfahrungen von Tunnelbetreibern, die im Alltag mit hohem Aufwand die Anlagen warten und schadhafte Bauteile und Komponenten ersetzen müssen. Einige dieser negativen Erfahrungen wurden von Uwe Köstermann (Straßen.NRW) und Frank Heim (Autobahn GmbH des Bundes, Fürth) zu Beginn der Fachvorträge vorgestellt.

 

Innovative Lösungsansätze

Es besteht Handlungsbedarf bei der Planung und Ausführung der Betriebs- und Sicherheitsausstattung (BSA) in Straßentunneln. Die Erkenntnisse aus den Auslagerungsversuchen werden daher auch in die ZTV-ING eingehen, die von der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen (bast), Bergisch Gladbach, erarbeitet, aktualisiert und herausgegeben werden. Die Auswirkungen auf das Regelwerk und den Fahrplan für die Änderungen stellte Dr.-Ing. Ingo Kaundinya (bast) im dritten Vortragsteil der Veranstaltung vor. Der bereits für 2026 angestrebte Einführungszeitpunkt der Änderungen im Regelwerk unterstreicht die Dringlichkeit dieser Maßnahmen.

In ersten Straßentunnel-Anwendungen kommt der Duplex-Stahl 1.4462 bereits zum Einsatz. So hat der Landesbetrieb Straßen.NRW im Tunnel Menkhauser Berg (L751, Oerlinghausen) im Rahmen eines Pilotprojekts die ersten drei Strahlventilatoren aus dem Werkstoff 1.4462 in Betrieb genommen und gehört damit europaweit zu den Vorreitern. Und auch bei zukünftigen Sanierungsprojekten, wie beispielsweise im Tunnel Hestenberg (L697, Plettenberg), im Weserauentunnel (B61, Porta Westaflica) und im Europatunnel (L238, Stolberg), wird bei der modernen Betriebs- und Sicherheitstechnik der Duplexstahl 1.4462 zum Einsatz kommen.

Der Weg zum ersten Duplex-Strahlventilator war allerdings recht holprig, da jede Werkstoffgruppe ihre Eigenheiten hat. Die Erfahrungen, die der Hersteller, die Firma Weiss Metalltechnik GmbH, Neresheim, bei der Entwicklung des neuen Strahlventilators aus Duplex-Stahl mit dem Werkstoff und seiner Verarbeitung gemacht hat, teilten der Geschäftsführer Jochen Weiss und der technische Leiter des Unternehmens Dietmar Mettenleiter in ihrem Beitrag mit den Anwesenden. 

Duplex-Stähle lassen sich gut verarbeiten. Sie können mit gängigen Verfahren wie z.B. Biegen, Zerspanen oder Ziehen bearbeitet werden und sind zudem gut schweißgeeignet. Aufgrund ihrer hohen Festigkeit bieten sie die Möglichkeit schlanker zu konstruieren und damit Einsparpotential beim Materialeinsatz. Die höheren Herstellungskosten können im Vergleich zu den klassischen austenitischen Sorten dadurch und durch den um ca. die Hälfte geringeren Gehalt an Nickel teilweise oder ganz wett gemacht werden. Zudem sind die Preise durch den niedrigeren Nickelgehalt weniger volatil. Dr. Thomas Müller und Markus Buckner (Outokumpu Nirosta GmbH, Krefeld) erläuterten die Unterschiede zwischen den Werkstoffgruppen Austenite und Duplex-Stähle sowohl in den Materialeigenschaften, den Einsatzspektren als auch in der Verarbeitung.

Fertigungsbegleitende Qualitätskontrollen durch unabhängige Drittparteien kommen in der industriellen Praxis regelmäßig zur Anwendung. Das Konzept der Qualitätssicherung bereits vor der Inbetriebnahme spart unnötige Zusatzkosten, die entstehen, wenn erst nach Abschluss aller Arbeiten und fertiger Montage Qualitätsprobleme und Fehler gefunden werden und, wenn überhaupt noch möglich, mit erheblich größerem Aufwand ein partieller oder vollständiger Rückbau erfolgen muss. Am Beispiel der drei Prototypen aus Duplex-Stahl für das Pilotprojekt Menkhauser Berg berichtete Thoralf Müller (BAM) von dem Konzept der BAM für fertigungsbegleitende Qualitätskontrollen von Strahlventilatoren und, dass sich diese bereits bewährt und geholfen haben, eine Qualitätsabweichung frühzeitig zu erkennen und zu beheben.

 

Begleitende Fachausstellung

Die begleitende Ausstellung, an der sich elf Unternehmen und Organisationen beteiligten, brachte Tunnelbetreiber, -planer und Betreiber mit Fachfirmen für Produkte aus nichtrostenden Stählen und deren Verarbeitung zusammen, um sich über die vielfältigen Möglichkeiten dieser Werkstoffgruppe auszutauschen und neue Möglichkeiten zu entdecken.